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Betriebsprüfungen in der Gastronomie und Hotellerie

Gastronomie und Hotellerie stehen immer wieder im Fadenkreuz der Betriebsprüfer. Grundsätzlich wird bei Unternehmen, in denen überwiegend Waren und Leistungen gegen Bargeld gehandelt werden und dabei hohe Deckungsbeiträge zusammenfallen, von den Finanzbehörden oft unterstellt, dass die steuerlichen Erklärungen „geschönt“ werden.
Gastgewerbliche Betriebe sind daher häufig das Ziel besonders sorgfältiger steuerbehördlicher Überprüfung. Dabei kommt es auch vor, dass Betriebsprüfer Buchführungen aus geringfügigen Anlässen insgesamt verwerfen, um eigene Umsatz-/Gewinnschätzungen anzustellen.

Aus der langjährigen Erfahrung mit diesem Thema, nicht zuletzt als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Hotel- und Gaststättengewerbe, werden nachfolgend in diesem Zusammenhang wichtig erscheinende Sachverhalte und Fragen kurz strukturiert und von den Betriebsprüfern häufig angewandte (Arbeits-) Methoden sowie dabei zu beachtende Besonderheiten stichwortartig aufgezeigt.

1. Ursachen und Anlässe für Schätzverfahren

1.1 Nicht sachgemäße Dokumentation von Betriebszahlen

Nicht selten ist eine unsachgemäße Aufzeichnung von Betriebszahlen, insbesondere im Bereich des Kassenbuches, Ursache dafür, dass eine Buchhaltung verworfen wird bzw. eine Schätzung der Besteuerungsgrundlage seitens der Betriebsprüfung erfolgt.
Zweifellos steckt hinter unsachgemäßen (Kassenbuch-)Aufzeichnungen nur in Ausnahmefällen bewusste (Steuer-)Manipulation. Vielmehr ist es insbesondere in kleinen gastgewerblichen Betrieben häufig so, dass die Unternehmer in steuerlichen und buchhalterischen Belangen nicht über ausreichende Kenntnisse verfügen. Die Buchführung mit ihren vielfältigen Regelungen kann daher, zumindest in kleinen und mittelständischen Unternehmen, nicht immer schlüssig und regelgerecht erstellt werden.

1.2 Kontrollbelege

Ursächlich für Umsatz-/Gewinnschätzungen können auch Unregelmäßigkeiten bei der Verprüfung von sogenannten Kontrollbelegen sein. Hierbei wird die lückenlose und sachgerechte Verbuchung eigener und/oder fremder (Rechnungs-)Belege überprüft.

1.3 Lebenshaltung/Vermögensentwicklung

Auch direkt aus der Geldverwendungsrechnung heraus bzw. aus einem, wie auch immer vom Prüfer belegten Missverhältnis zwischen deklarierten Einkünften und der Lebenshaltung und/oder anderen signifikanten Vermögensentwicklungen, können sich Anlässe für ein Schätzverfahren ergeben.

1.4 Anzeigen

Nicht selten sind auch (Straf-)Anzeigen (Selbst- oder Fremdanzeigen) Auslöser für ein Schätzverfahren.

2. Fragwürdige Methoden bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen

2.1. Übernahme von mittleren Richtwerten nach der Richtsatzsammlung

Die sogenannte Richtsatzsammlung wird jährlich vom Bundesministerium der Finanzen erstellt und liefert folgende statistischen Werte:

  • Rohgewinnaufschlag auf den Wareneinsatz
  • Rohgewinn I
  • Halbreingewinn
  • Reingewinn

Aus fachpraktischer Sicht ist die Richtsatzsammlung mit einer Anzahl von Mängeln behaftet. Für Gast- und Speisewirtschaften wird im Schätzverfahren prüferseits derzeit häufig ein quasi mittlerer Rohgewinnaufschlag als Maßstab herangezogen. Dass dieser Rohgewinnaufschlag aufgrund betriebstypischer Gegebenheiten oftmals nicht erreicht werden kann, wird von den Prüfern nicht selten ignoriert.

2.2. Zeitreihenvergleich (nicht mehr als schlüssiges Prüfverfahren akzeptiert)

Der Zeitreihenvergleich stellt den Einkäufen in einem bestimmten Bezugszeitraum (Woche oder Monat) den im gleichen Zeitraum erfassten Umsätzen gegenüber. In aller Regel werden die dazugehörigen Rohgewinnaufschläge mehr oder weniger schwanken, wofür es meistens viele plausible Gründe gibt. Im Gegensatz dazu wird von den Prüfern unterstellt, dass in den Zeiträumen mit vergleichsweise niedrigen Rohgewinnaufschlägen bzw. geringen Umsatzerlösen Schwarzumsätze getätigt wurden und in Falle einer Umsatzschätzung nicht selten der höchste Aufschlagssatz für das gesamte Jahr zugrunde gelegt. Der Zeitreihenvergleich ist zwischenzeitlich von den obersten Finanzgerichten für nicht akzeptabel erklärt worden.

2.3. Ermittlung/Umgang mit unterschiedlichen Rohgewinnaufschlägen

Die Richtsatzsammlungen liefern nur einen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag und keine differenzierten Rohgewinnaufschläge für unterschiedliche Warengruppen. Deshalb ist im Rahmen von Nachkalkulationen konkrete, auf einzelne Warenumsätze bezogene Berechnungen notwendig und daraus spezifische Rohaufschläge zu ermitteln. Die behördlichen Verprobungen enthalten jedoch häufig Fehler, insbesondere hinsichtlich der Wareneinsatzermittlung und der repräsentativen Artikelauswahl.

2.4. Gleichsetzung einzelner Wareneinsatzmengen und resultierender Umsätze

Zur Ermittlung der maßgeblichen Rohgewinnaufschläge werden die Wareneinsatzmengen mit den Umsatzerlösen verprobt, ohne betriebs- und produktionsbedingte Veränderungen der Wareneinsatzmengen zu berücksichtigen. Als typisches Beispiel gilt in diesem Zusammenhang der meist unzureichend berücksichtigte Schankverlust im Getränkebereich. Aber auch bei der Herstellung selbst gefertigter Produkte, wie Eis, Kuchen oder Fleischspeisen werden fehlerhafte Kalkulationen der Finanzbehörden grundgelegt.

2.5. Umsatzkorrelation zwischen einzelnen Sparten

Einzelne Sparten werden hinsichtlich ihrer Umsatzerlöse auf der Basis korrespondierender Sparten umgerechnet. So wird z.B. nahezu selbstverständlich der Speisenumsatzunabhängig vom Betriebstyp mit 30 Prozent des Getränkeumsatzes angesetzt. Ähnliche Korrelationsberechnungen werden beispielsweise auch auf verschiedene Getränkesparten angewandt. Hierbei bleiben betriebstypische Besonderheiten gänzlich unberücksichtigt.

2.6. Verbrauchsgüterorientierte Umsatzverprobung

Als verbrauchgüterorientierte oder indirekte Umsatzverprobungen lassen sich alle Verprobungen/ Schätzungen zusammenfassen, in denen Umsätze über Hilfswerte abgeleitet werden. Aktuelle Beispiele hierzu sind Schätzungen des Fassbierumsatzes über den Verbrauch an Kohlensäure oder des deklarierten Pizzastraßenverkaufs über den Verbrauch an Verpackungskartons.

2.7. Kapazitätsorientierte Umsatzverprobungen

Kapazitätsorientierte Umsatzverprobungen/Umsatzschätzungen werden z.B. an Gerätekapazitäten festgemacht. Nur als extremes Beispiel kann hierzu der Versuch gewertet werden, auf der Basis der vorhandenen Grillplattenkapazität auf Steakumsätze zu schließen.
Deutlich praxisbezogener, aber nicht weniger unproblematisch, erscheint eine Umsatzverprobung auf der Basis eines Umsatzes pro Stuhl und Jahr bzw. auf der Grundlage von hierzu bekannten Betriebsvergleichswerten.
Ebenso schwierig gestaltet sich die kapazitätsorientierte Verprobungsmethode, deklarierte Umsätze in Relation zum eingesetzten Personal zu stellen und mit Hilfe gängiger Kennziffern den Umsatz pro Vollbeschäftigten zu überprüfen.

3. Von der Betriebsprüfung häufig nicht beachtete Besonderheiten gastgewerblicher Umsatzschätzungen

Neben den nachfolgend genannten häufigsten Fehlbewertungen und Unvollkommenheiten der finanzamtlichen Schätzungen gibt es eine Reihe weiterer Unstimmigkeiten in diesen Berechnungen, die im Rahmen dieses Artikels nicht dargestellt werden können.

3.1. Spezifikation der Umsatzerlöse

Fast regelmäßig werden in der Gastronomie und ganz speziell in der Hotellerie übergreifende Gesamt-Leistungen angeboten. In großen Betrieben werden diese Leistungen auch spartengerecht aufgeteilt/verbucht. Insbesondere in kleinen und mittelständischen Betrieben erfolgt – nicht zuletzt aus Praktikabilitätsgründen – regelmäßig keine durchgehend spartengerechte Umsatzerfassung. Bei einer Verprobung/Schätzung der als Speisen und Getränke deklarierten Umsätze mit Hilfe des Wareneinkaufs/Wareneinsatzes führt dies zwangsläufig zu einem verfälschten Ergebnis.

3.2. Schwund/Verderb

Es dürfte als unstreitig bzw. bekannt gelten, dass beim Umgang mit Lebensmitteln Schwund und Verderb immer eine vergleichsweise große Rolle spielen. Hinzu kommt, dass gastronomische Produktionsprozesse nur begrenzt vorausschauend geplant werden können und z.B. eine konkrete Überproduktionen häufig als Verlust ausgebucht werden muss. Auch der Hochbetrieb in Spitzenzeiten führt häufig durch unwirtschaftliche Arbeitsabläufe zu überhöhten Warenverbrauch.

3.3. Naturalzuwendungen, Preisnachlässe, Sonderaktionen

Die korrekte Erfassung/Bewertung von im Gastgewerbe häufig anzutreffenden Sondervereinbarungen (z.B. Naturalzuwendungen, Preisnachlässen, Marketingmaßnahmen etc.) wird in der Praxis erfahrungsgemäß nur selten vorgenommen. Bei einer Umsatzverprobung bzw. einer Umsatzschätzung bleiben solche Maßnahmen oftmals unberücksichtigt.

4. Fazit/Empfehlung

Wie in den bisherigen Ausführungen kurz geschildert, sind Betriebsprüfungen bzw. Umsatz-/ Gewinnschätzungen im Hotel- und Gaststättengewerbe äußerst vielschichtig und schwierig. Häufig fehlt den Beteiligten das Know How. Manchmal aber auch die Entschlossenheit, sich mit der prüfenden Behörde und den Prüfungsergebnissen sachgerecht auseinander zu setzen, um z.B. überhöhte Forderungen des Finanzamtes abzuwehren. Aber auch scheinbar gütliche Verhandlungen /Einigungen mit den Behörden führen aufgrund fehlerhafter Überlegungen/Annahmen nicht selten zu überhöhten Schätzungen und letztendlich empfindlichen (Steuer-) Nachforderungen.

Die Erfahrung zeigt immer wieder, dass es für den Steuerpflichtigen in der Regel günstiger ist, die Ergebnisse der Betriebsprüfung durch konkrete Nachberechnungen zu hinterfragen.

Fragen Sie deshalb Ihren Steuerberater, ob es sinnvoll sein kann, die Argumentationen und die daraus resultierende Nachkalkulation der Finanzbehörde – ggf. unter Hinzuziehung eines öffentlich bestellten Sachverständigen – zu überprüfen.

Bildnachweis: Pixabay

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